Spanisch auf zwei Kontinenten


Spanisch ist nicht gleich Spanisch – eine meiner ersten Erfahrungen hier in Mexiko. Wie kann es sein, dass man mich hier in Mexiko oftmals nicht versteht? Auch das Wörterbuch brachte mich nicht weiter. Hier spricht man doch Spanisch? Inzwischen weiß ich, dass einiges aus meinem Spanischunterricht hier keine Anwendung findet. Nicht umsonst lautet eine mexikanische Redensart: „Was uns am meisten von den Spaniern unterscheidet, ist unsere gemeinsame Sprache.“

Unterschiede – selbst beim ABC!

Mexiko ist ein Einwanderungsland mit vielen aufeinander treffenden kulturellen und sprachlichen Einflüssen: Diese reichen von den indigenen Urkulturen bis hin zum omnipräsenten Nachbarn USA. Im Mexikanischen findet man deshalb im Gegensatz zum Castellano (spanisches Spanisch) viele Amerikanismen: Eine Vielzahl von Wörtern werden auch einfach übernommen. Beispielsweise sagt man nicht wie im Spanischen „armario“ zum Schrank, sondern verwendet das englische „closet“. Der „hojalatero“ (Klempner) wird in Mexiko als „plomero“ bezeichnet (von „plumber“), „alquilar“ (mieten) wird zu „rentar“ und der „ordenator“ (Computer) heißt hier einfach „computadora“. Das „W“ wird im Mexikanischen als „doble U“ buchstabiert, wie das englische „double U“. In Spanien hingegen sagt man: „Uve doble“. Das wurde auch bei unserem Nachnamen schon zum Problem, man verstand unsere Buchstabierung einfach nicht.

Es gibt zudem viele mexikanische Wörter, die man im Spanischen nicht benutzt: Dort sagt man chaqueta zur Jacke, in Mexiko heißt sie chamarra.

cuate – Kumpel, Spanien: tio

pinche – verdammte/r, Spanien: maldito

¿Mande? – wie bitte?, Spanien: ¿Cómo?

aguas – Achtung, Spanien: cuidado

recamara – Schlafzimmer, Spanien: dormitorio

¡Hijole! – Oh mein Gott!, Spanien: ¡Dios mio!

Vorsicht vor Fettnäpfchen!

Einige spanische Wörter haben im Mexikanischen noch eine zusätzliche Bedeutung. Etwa wird das Wort „fresa“ (Erdbeere) verwendet, um jemanden als versnobt zu bezeichnen. Der Kater nach einem Alkoholrausch heißt hier auch „cruda“ (roh, ungekocht), auf Spanisch „resaca“. Weitere Beispiele sind: chamba – die Arbeit, in Spanien: Zufallstreffer, timbre – Briefmarke, in Spanien: Klingel/Siegel;  sale – okay!, in Spanien: er/sie/es verlässt.

Das berühmteste Fettnäpfchen des mexikanischen Spanisch ist das Wort „coger“. Man bezeichnet damit vulgär den Liebesakt, während es in Spanien „greifen“ oder „fangen“ bedeutet. Oft wird sein falscher Gebrauch allerdings noch mit einem Lächeln verstanden. Man kommt im Alltag aber tatsächlich oft an seine sprachlichen Grenzen. Sucht man beim Einkauf „albaricoque“, wird man fragend angeschaut. Die Aprikose findet man in Mexiko nämlich unter „chabacano“. Oder man bekommt mit „tomates“ grüne Tomaten statt roter „jitomates“ in die Tasche gesteckt.

Bei der ganzen mexikanischen Verehrung der Mutter ist die negative Konnotation des Wortes „madre“ verwirrend: „Me vale madre“ ruft man zum Beispiel aus, wenn einem etwas sch…egal ist. Padre (Vater) wiederum ist eher positiv besetzt. Mit einem „¡Qué padre!“ freuen sich Mexikaner, wenn ihnen etwas sehr gut gefällt. Die Mutter spricht man eher als Mamá, Mami oder Ma an, der Vater ist Papá, Papi oder Pa.

Verniedlichungen und Wortspiele

Die Mexikaner lieben Diminutive. Aus agua (Wasser) wird das aguita, aus ahora (gleich, jetzt) ahorita. Der Tequila wird zum Tequilita, das Café wird zum Cafesito. Die Verniedlichungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefallen mir persönlich sehr. Die allgemeine Lust der Mexikaner am Wortspiel steckt vermutlich auch dahinter. Sprachanfänger wie mich, aber auch fortgeschrittene Sprecher wie meinen Mann, stellt dieses Phänomen allerdings regelmäßig vor Herausforderungen. Zum Beispiel erschließen sich Headlines in der Zeitung erst auf den zweiten Blick. Wenn überhaupt. Die Königsdisziplin sind mexikanische Wortwitze (albures). Es wird einfach ein unbedarft daher gesagtes Wort aufgegriffen, und ehe man sich versieht, ist man der Mittelpunkt eines derben Witzes, oft mit sexuellem Anstrich. Je nach Spanisch-Kenntnissen, versteht man die Zusammenhänge… oder eben auch nicht!

Noch ein paar Takte zur Grammatik

Wie auch der überwiegende Teil der spanischsprachigen Welt, verwenden die Mexikaner die zweite Person Plural nicht. Unterschieden wird im Plural nicht zwischen der förmlichen Anrede „Sie“ (ustedes) und der unförmlichen Anrede „ihr“ (vosotros). Gruppen spricht man stattdessen simpel auch mit der förmlichen Anrede „ustedes“ an. Statt sechs Verbdeklinationen gibt es nur fünf… eine weniger zu lernen! Die Mexikaner verwenden zudem den „indefinido“ – eine der Vergangenheitsformen – etwas häufiger als im Spanischen üblich.

Wer spanisches Spanisch gelernt hat, dem fallen die Besonderheiten des Mexikanischen irgendwann auf. Für Anfänger ist mexikanisches Spanisch, dank einer Konjugationsform weniger und zahlreichen Amerikanismen, wahrscheinlich sogar einfacher verständlicher als manch anderes Spanisch – dank klarer Aussprache! Spanisch bleibt am Ende doch Spanisch, auch wenn Spanisch nicht gleich Spanisch ist. Das freundliche Wesen der Mexikaner rettet einen letztendlich allemal aus jeder sprachlichen Misere!

Die Gastautorin stellt sich vor:
Hallo! Mein Name ist Berdien, ich bin 32, gebürtige Bayerin aber Berlinverliebte. Ich schreibe auf www.bejewly.de über unser bewegendes Leben mit unseren drei Töchtern (1, 4 und 5). Seit Mai diesen Jahres leben wir in Mexiko Stadt, weil mein Mann Diplomat ist. In dieser großen Stadt mit Ihren zahlreichen Ecken und Kanten und ihrer großen Liebenswürdigkeit versuchen wir uns zurecht zu finden. Mir hat es viel Spaß gemacht, diesen Artikel aus meiner Erfahrungswelt für euch zu schreiben! Mehr Berichte zu unserem Leben finden sich auf meinem Blog:www.bejewly.de

 

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